Schulstrafen


Ich gehörte zu den sogenannten „Fahrschülern“, die täglich mit der Bahn nach Schwandorf fahren mussten. Da wir in der Regel schon lange vor dem Beginn des Unterrichts um acht Uhr in der Schule waren, stand den „Fahrschülern“ ein Aufenthaltsraum zur Verfügung. Die Aufsicht führte ein älterer Schüler, der die Namen derjenigen auf eine Tafel schrieb, die sich irgendwie nicht ganz sittsam benommen hatten.

In der Woche, wenn der Turnlehrer Unkel für die Fahrschüler zuständig war, mussten sich die "Übeltäter" kurz vor Beginn des Unterrichts der Größe nach in einer Reihe aufstellen. Dann bekam der erste in der Reihe vom Unkel eine kräftige Ohrfeige, die er dann an den nächsten weitergeben musste. Schlug er nicht heftig genug zu, gab es vom Unkel eine extra Watsche. Deshalb war jeder bestrebt, nur ja nicht zu sanft mit seinem Nachbarn umzugehen. Die Schuldfrage, warum ein Name überhaupt auf der Tafel stand, wurde nie diskutiert.

Bemerkenswerte Leistungen


Ein merkwürdiger Wettbewerb hatte mit einem neuen Toilettenhäuschen zu tun, das auf dem Schulgelände errichtet worden war. Dazu gehörte ein Pissoir mit Bodenrinne, dessen eine Wand mit Teer gestrichen war. Die Teerschicht hatte ungefähr die halbe Wandhöhe, was normalerweise auch ausgereicht hätte. Aber anscheinend hatten die Erbauer nicht mit dem Ehrgeiz der Schüler gerechnet. Schon wenige Tage nach der Inbetriebnahme des besagten Häuschens entwickelte sich eine Art Wettbewerb unter den Schülern, wer höher pieseln konnte als die Teerschicht reichte. Einsamer Spitzenkönner war der Hans, dessen Strahl höher reichte als er groß war. Er hätte theoretisch über sich hinweg pieseln können und hat mit seiner Leistung viel Anerkennung gefunden.

Überzogene Ehrlichkeit


Mein Vater hatte zwar nur die Volksschule besucht, doch war er ein mathematisches Genie. Die diesbezüglichen Gene hat er mir leider nicht vererbt. Er rechnete die schwierigsten Gleichungen im Kopf aus, doch hat das Geld seiner Eltern zum Besuch einer höheren Schule nicht gereicht, obwohl sein Vater Postbeamter war. Er gehörte also schon zur besser verdienenden Schicht. Vor dem Ersten Weltkrieg dürfte es jedoch ein Hungerlohn gewesen sein.

Was man damals unter dem Begriff Ehrlichkeit verstanden hat, dafür ein Beispiel. Der einige Jahre ältere Bruder meines Vaters war von einem Nachbarn gebeten worden, einen Brief für ihn aufzugeben. Er hatte ihm die dafür erforderliche Münze mitgegeben, mit der er vorher beim Postamt die vorgeschriebene Briefmarke kaufen sollte. Der Bub hat aber den Brief ohne Marke eingeworfen und sich für das Geld Bonbons gekauft. Natürlich wurde der Brief nicht befördert und ging wieder an den Absender zurück

Mein Großvater war über diesen Diebstahl so empört, dass er seinem Sohn für diese Untat die rechte Hand abhacken wollte. Es war einfach undenkbar, dass in der Familie eines Postbeamten Unterschlagungen verübt werden. Das Geschrei des Kindes, das zum Hackstock gezerrt wurde, und daraufhin herbeieilende Nachbarn führten schließlich dazu, dass die Hand des „Übeltäters“ am Arm verbleiben durfte. Dafür hat das Kind, das damals etwa sieben Jahre alt war, die wohl schwerste Prügelstrafe seines Lebens bezogen.
 Impressionen